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«DER ARBEITSMARKT STEHT NOCH UNTER SCHOCK»

Seit April ist Marcel Langhi Leiter des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) in Thalwil. Personen, die aufgrund der Corona-Krise Angst vor einer Entlassung haben, sollten jetzt den Kontakt zu ihren Vorgesetzten suchen, sagt er im Interview mit der Standortförderung Zimmerberg-Sihltal. Ausserdem solle man seine Bewerbungsunterlagen aktualisieren und sich auf mögliche Veränderungen einstellen. Allerdings habe diese Krise auch Erholungspotenzial.

Marcel Langhi, die Lage am Schweizer Arbeitsmarkt ist prekär. Im Monat Mai gab es so viele Arbeitslose wie noch nie. Wie präsentiert sich die Situation im Bezirk Horgen?

Die Arbeitslosenquote ist im März erst stark und in den Folgemonaten weiter, jedoch weniger steil angestiegen. Die Kurzarbeitsentschädigung hat sich als gutes Instrument bewährt, dank dem Arbeitsplätze erhalten und Arbeitslosigkeit vermieden werden können. Die Arbeitslosenquote ist im Juni schweizweit auf 3.2% gesunken und lag auch im Kanton Zürich im Mai und im Juni bei 3,2%. Im Bezirk Horgen beträgt sie 3,5%. Das RAV Thalwil ist für die gestiegene Arbeitslosigkeit gut gerüstet. Wir haben zusätzliches Personal eingestellt und setzen Corona-Schutzmassnahmen um.

Welche Branchen sind vor allem von Entlassungen betroffen?
Im Einzugsgebiet des RAV Thalwil kamen in der Anfangsphase des Lockdowns die Neuanmeldungen von Stellensuchenden von fast allen Branchen. Im Verlauf der letzten Monate betraf der Hauptanteil der Neuanmeldungen die Gastrobranche, darunter auch Hotels, die nur teilweise und mit reduziertem Betrieb geöffnet waren, sowie den Detailhandel, aus dem sich viele Personen mit Abrufverträgen beim RAV gemeldet hatten. Die Lockerungen und die Wiederaufnahme vieler wirtschaftlicher Aktivitäten dürften in Teilen des Arbeitsmarkts wieder zu etwas Erholung führen, man kann aber noch nicht von einer Trendwende sprechen. Wichtig für den Bezirk Horgen ist auch, wie sich die Stadt entwickelt, wo viele Arbeitspendler engagiert sind. Gerne verweise ich auf die volkswirtschaftlichen Analysen der Auswirkungen der Coronapandemie in der Juni-Ausgabe des vom Amt für Wirtschaft und Arbeit herausgegebenen Zürcher Wirtschaftsmonitorings. Sie sind auf www.zh.ch/wirtschaftsmonitoring einsehbar.

Experten sehen die grosse Entlassungswelle erst kommen. Und zwar im zweiten Halbjahr 2020. Wie beurteilen Sie diese Prognose?
Das SECO prognostiziert einen Rückgang des BIP um 6,2% bei einer jahresdurchschnittlichen Arbeitslosenquote von 3,8%, die 2021 auf 4.1% steigen könnte. Dass diese Krise Erholungspotenzial hat, zeigt sich daran, dass die Beschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten aus gesundheitlichen Gründen vom Staat «angeordnet» wurden und nicht das Resultat einer wirtschaftlichen Schwäche sind. Wie robust die Unternehmen im Bezirk Horgen sind und inwiefern sie ihre Fachkräfte trotz der Krise weiterbeschäftigen, wird sich zeigen. Der Fachkräftemangel besteht grundsätzlich weiter. Wir stehen mit den Arbeitgebern im Bezirk Horgen in Kontakt und freuen uns, wenn sie uns offene Stellen direkt melden, oder meldepflichtige Stellen auf arbeit.swiss erfassen. So können wir geeignetes Personal vorschlagen und die Drehscheibenfunktion der öffentlichen Arbeitsvermittlung im Bezirk Horgen gut wahrnehmen.

Wie soll man sich verhalten, wenn man als Arbeitnehmer/in Angst vor einer Entlassung hat?
In erster Linie sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Kontakt zu ihren Vorgesetzten suchen. Unternehmen haben Interesse daran, ihre Mitarbeitenden und Fachkräfte für die Zukunft und den Aufschwung zu halten. Fühlen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht, können sie sich im Internet unter www.zh.ch/stellensuche-arbeitslosigkeit oder www.arbeit.swiss informieren und bei weiterem Bedarf bei den RAV anmelden. Das RAV Thalwil steht für die Beratung allen offen. Spätestens bei einer Kündigung sollen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Stellensuche beim RAV melden. Das RAV Thalwil ist für Anmeldungen vor Ort geöffnet. Wir bitten Stellensuchende, den Termin für eine persönliche Anmeldung an der Zürcherstrasse 68 telefonisch zu vereinbaren.

Haben Sie noch weitere Tipps für Menschen, die von der Krise betroffen sind?
Bezogen auf die Stellensuche kann man die Zeit nutzen, um seine Bewerbungsunterlagen zu aktualisieren und sich auf mögliche Veränderungen einzustellen. Der Arbeitsmarkt steht wegen den Pandemie-Massnahmen noch «unter Schock», erholt sich dank den Lockerungen zur Zeit wieder etwas. Darin liegen für Stellensuchende Chancen. Da viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden weiterhin im Home-Office beschäftigen, ist die Erreichbarkeit der HR-Abteilungen möglicherweise etwas erschwert. Deshalb muss man bei telefonischen Anfragen entsprechend gewappnet sein oder die Kontaktaufnahme über Email anstossen. Wer auf Stellensuche ist, tut auch gut daran, sein persönliches Netzwerk zu informieren und auszubauen. Elektronische Plattformen wie LinkedIn und Xing sind zudem sehr gut geeignet, um sich über offene Stellen zu informieren, sich zu präsentieren und weiter zu vernetzen – in Corona-Zeiten ist die Bedeutung dieser Plattformen noch angestiegen.

 

Zur Person

Marcel Langhi ist seit diesem April RAV-Leiter in Thalwil und wohnt in der näheren Umgebung mit entsprechender Vernetzung. Vorher führte er mehrere Jahre erfolgreich ein anderes RAV im Kanton Zürich. Marcel Langhi bringt langjährige Führungserfahrung in der Verwaltung und Privatwirtschaft mit, verfügt über einen Executive MBA und verantwortet als Arbeitsmarktspezialist die Umsetzung der Arbeitsmarktstrategie des Amts für Wirtschaft und Arbeit mit rund 30 Personal- und Kundenberatenden im RAV Thalwil.

News aus dem Standortförderungs-Netzwerk – wirtschaftsraum-zuerich.ch

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